SdJ im Wandel der Zeiten – Teil 1 [1979] – Hase und Igel

Das Spiel des Jahres hat eine lange Tradition in Deutschland. Lange war es ein Wegweiser im noch lange nicht so unübersichtlichen Spielemarkt.  Jahr für Jahr kommentiere ich die nominierten und prämierten Spiele und auch abseits davon schaue ich was ggf. übersehen wurde, wo die Jury dünnhäutig war, was die größten Böcke sind, und was für obskure Sonderpreise verliehen wurden.

Los geht es im Jahre 1979, in dem der Preis noch in seiner Findungsphase war.  Auf der Homepage vom SdJ wird erstaunlicher Weise eine Empfehlungsliste zu diesem Jahr geführt, dabei gibt es diese erst seit 2004; davor gab es eine Auswahlliste und offenkundig handelt es sich um diese.

Das Spiel des Jahres 1979 wurde Hase und Igel von David Parlett. Ursprünglich aus dem Jahre 1973, aber 1978 von Ravensburger in Deutschland aufgelegt. Hase und Igel ist heute ein Klassiker, der wie eh und je funktioniert. Zum Spiel muss ich kaum etwas schreiben, wer es nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen.

Bemerkenswertes findet man jedoch auf der Auswahlliste. Zum Einen wurde ein Schachcomputer gefeiert (Chess Challenger Voice), der rein technisch sicherlich zu dieser Zeit irgendwie interessant war, aber von der Spielstärke kaum einen ambitionierten Schachspieler  beeindrucken konnte. Auch Senso und Merlin fällt in eine ähnliche Kategorie und ist eher als technische Spielereien anzusehen, die nur am Rande etwas mit Brettspielen zu tun haben. Mit Blockade, Shogun, Touché und Twixt sind gleich 4 abstrakte Spiele (von denen 3 Zweipersonenspiele sind) auf der Auswahlliste zu finden. Acquire und Alaska schließen die Liste als mehr oder weniger thematische Spiele ab. Acquire ist bereits im Jahre 1964 erschienen und auch schon 1968 (von 3M und Schmidt) in deutsch aufgelegt worden.

Wie ist das SdJ 1979 nun einzuordnen? – Der Spielemarkt war klein und angesichts der wesentlich kleineren Auswahl, ist es völlig legitim auf ältere Veröffentlichungen zurück zu greifen. Die Dominanz von abstrakten Spielen spiegelt den Spielemarkt zu der Zeit durchaus richtig wieder. Die technischen Spielzeuge haben aus heutiger Sicht nichts auf der Liste zu suchen, fängt aber den Zeitgeist sicher auch korrekt ein. (Fun Fact: Chess Challenger Voice hat 1979 ca. 1000 DM gekostet, ein bemerkenswerter Preis für ein „Spiel“ auf einer SdJ Auswahlliste).

Die Liste zeigt auch, warum es zu dieser Zeit dringend nötig war, eine Auszeichnung für Spiele ins Leben zu rufen. Sicher gab es 1979 bereits einige Titel in Deutschland, aber viele haben bis dahin nur über Fans den Weg in unser Land (und unsere Sprache) gefunden: Junta, UNO, Rummikub, Squad Leader (Vorläufer von ASL), King Maker, Speed Circuit, Stellar Conquest, u.v.m. Spielmechanisch anspruchsvolle Titel sucht man zu dieser Zeit vergeblich auf dem deutschen Markt und das Spiel des Jahres hat ganz sicher einen signifikanten Anteil daran, dass sich das in wenigen Jahren massiv ändern wird.

Ein mehr als solider Grunstein, der hier gelegt wurde, um der doch massiv unterentwickelten Brettspielkultur in Deutschland  unter die Arme zu greifen. Etwas eingebremst durch die noch geringe Auswahl an Spielen, aber die „Botschaft“ ist angekommen. Sowohl bei den Spielern wie auch bei den Verlagen, was wir schon ein Jahr später in den ersten Ansätzen erkennen werden.

Einen Sonderpreis „schönes Spiel“ für Seti von Andreas Steiner und Hartmut Witt ist in so fern bemerkenswert, dass das Spiel heute kaum noch jemand kennt. Kaum verwunderlich, ist es eher trivial und hat spielerisch kaum einen Reiz. Spiele aus Holz waren auch 1979 schon „im Trend“ und 1979 brauchte es wohl auch noch nicht mehr.

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Über Attila

Ich Spiele alles. Von Kinderspielen über Euro-Games, jeder Komplexität, bis hin zu CoSim's. Potentiell gibt es kein Genre, was ich nicht spiele - das Spiel muss halt für mich in der entsprechenden Gruppe einen Reiz haben. Ich mag's gerne, wenn es was länger dauert und auch etwas komplizierter ist. Wenn nicht, auch gut.
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