Wir sind das Volk – 25 Jahre Mauerfall

Die Flut der Neuheiten der noch frisch vergangenen Spielemesse wird noch einige Zeit auf uns einprasseln und bevor man überhaupt eine Chance hatte alle halbwegs relevanten Neuheiten zu sichten, geht es im nächsten Frühjahr ja schon weiter mit der nächsten Neuheitenflut (oder wohl eher „Flütchen“). Dazwischen ist allerdings die „dunkle Jahreszeit“ – ein Lichtblick in Bezug auf die Zeit die man zum spielen hat.

Wir sind das Volk - Boxcover

Wir sind das Volk – Boxcover

Nachdem das 2-Personenspiel Six MaKing, weder eine Messeneuheit ist, noch irgendein Thema besitzt zeige ich dieses mal das es auch anders geht: Wir sind das Volk von Richard Sivél und Peer Sylvester ist eine Messeneuheit und hat ein Thema. Und was für eins.

Das geteilte Deutschland bzw. der „Weg“ beider Staaten bis zur Wiedervereinigung ist sicher eher ein Thema welches die Menschen aus Deutschland berührt, als Menschen ausserhalb Deutschlands, welche es vermutlich mit einer viel grösseren emotionalen Distanz wahrgenommen haben. Nun, wir können uns nicht dagegen erwehren. Viele von uns sind während des kalten Krieges geboren und man muss nicht das Alter von Methusalem erreicht haben um den 9ten November 1989 erlebt zu haben (und einiges was dazu geführt hat).

Mit Liebe zum Detail - ein Stück der Mauer auf der Rückseite des Spielplans

Mit Liebe zum Detail – ein Stück der Mauer auf der Rückseite des Spielplans

„Wir sind das Volk“ simuliert den Zeitraum von der Teilung bis hin zur Wiedervereinigung auf abstrakter Ebene. Der Kern des Spieles besteht aus 4 Kartendecks á 21 Karten, welche bedeutende politische, wirtschaftliche oder sportliche Ereignisse markieren. Wir sind das Volk orientiert sich dabei vom Mechanismus an klassischen „Card-Driven“-Spielen wie „We the People“ (AH, 1994) was auch in div. erfolgreichen Titeln variiert wurde (z.B. For the People (AH, 1998), Twilight Struggle (GMT, 2005), Napoleonic Wars (GMT, 2002), Elisabeth I. (GMT, 2012) oder 1989 (GMT, 2012)). Anstatt einer Kartenhand von der die Spieler ihre Karten spielen, hat jeder Spieler eine „Hand“ von 2 Karten und dazu gibt es eine offene Auslage von 7 Karten aus der die Spieler die Karte die gespielt wird auswählen. Eine erfrischende Variante, welche das Kartenglück auf ein notwendiges Minimum reduziert. Thematisch steuern die Spieler mit den Karten (und nur mit diesen) die Geschicke der Staaten in dem sie Infrastruktur und dadurch Wirtschaftskraft aufbauen und Wohlstand schaffen. Der Wohlstand der „anderen“ wird kritisch beäugt (sowohl innerhalb der Regionen eines Staates, wie auch zwischen den beiden Staaten) und kann, ist die Differenz zu groß, zu Unruhen führen. Zu viele Unruhen führen zu Massenprotesten und zu viele davon führen zum Zusammenbruch, was das Ende des Spieles bedeutet. Natürlich ist das ganze noch in weitere Mechanismen gepackt welche mehr Details haben als ich hier erwähne, aber da diese in sich stimmig, thematisch nachvollziehbar und einwandfrei sind, gehe ich auf sie nicht im Detail ein.

Die DDR hat erwartungsgemäss damit zu kämpfen die Wirtschaft in schwung zu bringen und erleidet hier immer wieder Rückschläge, was auch zum Staatsbankrott führen kann. Im Gegenzug hat die BRD eher weniger das Problem die Wirtschaft in schwung zu bringen und sie kann das Spiel eigentlich nur dadurch verlieren, das die DDR zu viele „überzeugte“ Sozialisten bekommt oder sie es nicht schafft die DDR zusammen brechen zu lassen.

Schon an der Siebbedingung sieht man sie asymmetrisch das Spiel ist – während der Spieler der BRD alles dafür tun muss um zu zeigen, das sein Staat „besser“ ist reicht es dem Spieler der DDR einfach nur zu „überleben“. Das hört sich vielleicht „vorbestimmt“ an, aber das ist nicht der Fall. Die Auslage von 7 Karten, welche erst aufgefrischt wird wenn sie leer ist, kann zu massiv unterschiedlichen Spielverläufen führen. Natürlich wird die DDR in der Wirtschaftskraft die BRD nicht dauerhaft übertreffen können, aber speziell zu Spielbeginn, wo die Ausgangspositionen noch etwa gleich sind, ist es vorübergehend möglich das die DDR der BRD wirtschaftlich voraus ist und dadurch mit mehr Wohlstand (freilich auf niedrigstem Niveau) die BRD wenigstens kurzfristig unter druck setzen kann.

Spielplan

Spielplan

Spielerisch überzeugt Wir sind das Volk genauso wie es Twilight Stuggle oder 1989 getan haben. Freunde dieser Spiele werden eine erfrischende Variante des Kartenmechanismus finden und auch wenn das Spiel im ganzen etwas einfacher angelegt ist als die „Kontrahenten“, kann ich das nicht negativ kritisieren. Im Gegenteil denn dadurch ist die Einstiegshürde niedriger und der einfacherer Zugang zu dem Spiel verschaft mehr potentielle Mitspieler.

Was mir allerdings ein wenig aufstösst ist das Design der Spielkarten. Das ist so hässlich das man zu meiner Schulzeit wohlmöglich „Das sieht ja aus wie aus der DDR“ dazu gesagt hätte. Und das wäre nicht als Lob gemeint gewesen. Ich weiss nicht ob das vielleicht genau der Zweck des Designs sein soll, aber mir gefällt es absolut nicht. Ich habe an dem Design des restlichen Spielmaterials nichts auszusetzen, die Kritik bezieht sich alleine auf die Spielkarten. Wenn der Stil als „Hommage an die DDR“ tatsächlich beabsichtig ist: Chapeau! – Für mich sieht es aus als ob kein Geld mehr für das Design der Karten übrig war.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, das sich ein paar kleine Ungenauigkeiten eingeschlichen haben. z.B. wurde die BRD erst 1949 gegründet und das Saarland ist erst 1957 Teil der BRD geworden. Nicht das es wirklich eine Relevanz auf das Spiel hätte, so hätte ich mir aber wenigstens einen kurzen Absatz in den sehr lesenswerten „Designer Notes“ gewünscht.

Richard-mit-den-vielen-Namen und Peer Sylvester haben da ein tolles Spiel herraus gebracht, welches sich ernsthaft und recht genau mit einem historischen Thema beschäftigt und es ansprechend und herrausfordernd für die Spieler ist. Das ist schon alleine deswegen das Messehighlight, denn gerade bei der Ernsthaftigkeit der thematischen Umsetzung hapert es doch massiv bei den allermeisten Messeneuheiten.

Avatar-Foto

Über Attila

Ich Spiele alles. Von Kinderspielen über Euro-Games, jeder Komplexität, bis hin zu CoSim's. Potentiell gibt es kein Genre, was ich nicht spiele - das Spiel muss halt für mich in der entsprechenden Gruppe einen Reiz haben. Ich mag's gerne, wenn es was länger dauert und auch etwas komplizierter ist. Wenn nicht, auch gut.
Dieser Beitrag wurde unter attila-products, Brettspiele, CoSims veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert