Spielmechaniken – Card-Driven

Seit dem We the People 1994 bei Avalon Hill erschienen ist, haben  Spiele mit diesem Kartenmechansimus eine durchaus nennenswerte Popularität. „Card-driven“ nennt man das.  „Von Karten angetrieben“ könnte man es übersetzen, denn es gibt keine allgemein geläufigen deutschen Begriff für diese Spielmechanik. Auch hierzulande sagt man „card-driven“, wenn man card-driven meint. Weitaus interessanter als der reine Name ist das, was sich dahinter verbirgt.

Die Idee die Mark Herman 1994 hatte (er hatte die Idee natürlich bevor das Spiel erschienen ist) ist im Grunde recht einfach: Die Spieler bekommen von einem gemeinsamen Zugstapel Karten auf die Hand und in jedem Zug muss der Spieler eine Karte spielen und kann damit dann alle in dem Spiel verfügbaren Aktionen auslösen. Eine Karte hat immer ein Ereignis und einen Kartenwert und der Spieler muss sich entscheiden ob er das Ereignis auslöst oder den Kartenwert dazu verwendet generische Aktionen durchzuführen (bewegen, ausheben, politische Kontrolle ausüben, etc. was das Spiel halt an Aktionen vorsieht).

Herman hat damit ein eine elegante Lösung für das Problem des „scriptings“ gefunden. Unter „scripting“ versteht man das vorgeben von Ereignissen und deren Auslösung durch die Spieler in Form eines vorgegeben Ablaufs. Ähnlich wie ein Drehbuch den Darstellern vorschreibt was sie wann zu tun haben, geben es die Regeln den Spielern vor. Solche Regelkonstrukte haben gewisse Tücken. Entweder sind sie recht kompliziert und sehen eine Unmenge an Fällen vor, damit die Spieler einen Handlungsspielraum haben oder sie sind einfach gehalten und schränken die (sinnvollen) Handlungsmöglichkeiten der Spieler der Art ein, das sie sich „gespielt fühlen“. Letzteres bemängelt man, wenn man sagt das Spiel ist zu sehr „gescripted“. Genau hier greift Hermans Idee ein. Anstatt die Geschichte in ihrem Ablauf im Regelheft vorzugeben, werden die Kernereignisse als Ereignis von den Spielern gespielt, wann immer die Bedingungen dazu erfüllt sind und die Spieler der Meinung sind es ist der richtige Zeitpunkt es auszulösen. So wird ein grosser Teil der Regeln, welcher bisher für die Erzählung der Geschichte wichtig war, in einen Stapel von mehr oder weniger selbsterklärenden Karten verlagert. Dazu wird elegant ein Aktionspunktesystem mitgeführt.  „Gute“ Ereignisse haben meisten auch mehr Aktionspunkte wie weniger gute. Wobei es natürlich ganz von der Situation abhängt wie gut ein Ereignis für einen Spieler ist. Mark Herman analysiert in dem Magazin C3i Ausgabe #25 die Vor- und Nachteile von „scripting“ speziell in „card-driven“ Spielen in dem Artikel To Script or Not to Script, that is the question? 

Erstaunlich für mich ist, das dieses Spielprinzip bisher in keinem Euro-Game adaptiert wurde, müsste es sich doch recht einfach verwenden lassen. Wenn jemand eins kennt, wäre ich sehr für einen Hinweis dankbar. Bitte keine entfernten Verwandtschaften an den Haaren herbeiziehen. Im Bereich der historischen Simulationen wurde dieser Mechanismus allerdings immer weiter verfeinert. Während Hannibal (AH, 1996) oder For the People (AH, 1998) mit diesem nahezu unveränderten Kartenmotor funktionieren.  Gab es mit Paths of Glory (GMT, 1999) zwei signifikante Änderungen:

  1. Anstatt von einem gemeinsamen Kartendeck, zieht jeder Spieler von seinem eigenem Kartendeck. So wird garantiert das Schlüsselereignisse in jedem Fall von den Spielern gezogen werden, für die sie wichtig sind.
  2. Um die komplexen politischen Wirrungen des Ersten Weltkriegs besser darzustellen wird das Zugdeck in mehrere Decks aufgeteilt, welche Spielabschnitten zugeordnet werden. Diese Decks kommen erst nach und nach ins Spiel – sobald der entsprechende Spielabschnitt erreicht ist.

The Napoleonic Wars (GMT, 2002) erweitert das Basissystem lediglich um Heimatkarten, das sind Karten welche die Spieler in jeder Runde auf der Hand haben. Dadurch ordnet der Autor jeder Nation bestimmte Eigenschaften zu, welche in jeder Runde zur Verfügung stehen unabhängig davon, welche Karten er vom Zugstapel bekommt.

Twilight Struggle (GMT, 2005) löst das Problem von Paths of Glory auf eine andere Weise: Statt für jeden Spieler einen Zugstapel hat man nun als Spieler zwar noch die Wahl ein Ereignis auszulösen oder die Karte für ihren Kartenwert zu spielen. Ist das Ereignis eins vom anderen Spieler, spielt man den Kartenwert und löst das Ereignis allerdings trotzdem aus. Man kann lediglich entscheiden um man seine Aktionspunkte vor oder nach dem Ereignis ausführt. So wird sicher gestellt dass die Ereignisse auch eintreten können egal wer sie auf der Hand hat und man gibt den Spielern die Möglichkeit Einfluss darauf zu nehmen wann bestimmte gegnerische Ereignisse eintreten. Dazu gibt es Karten welche als Ereignis gespielt werden müssen und auch nicht auf der Hand gehalten werden können.

In 1960: Making of a President (Z-Man, 2007) ist das Auslösen eines gegnerischen Ereignis im eigenen Zug daran gekoppelt das der Gegner eine bestimmte Resource abgibt. Damit variiert 1960 den Mechanismus aus Twilight Struggle signifikant.

Eine Vielzahl an weiteren Titeln ist seit 1994 auf den Mark gekommen, die allermeisten im Bereich der historischen Konfliktsimulationen und Wargames. Ich bin gespannt wie sich dieser Basismechanismus weiter entwickeln wird und ob und wann das erste „card-driven“ Eurogame kommt und wie es sich dann spielen wird. Die ersten Ansätze sind ja schon gemacht (z.B. Brass/Kohle). Ein inflationäre Ausbreitung dieses Mechanismus, wie es z.B. beim „worker-placment“ Mechanismus passiert ist, steht weniger zu befürchten, denn ist der Aufwand ein solches Kartendeck zu entwickeln doch vergleichsweise hoch.

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Über Attila

Ich Spiele alles. Von Kinderspielen über Euro-Games, jeder Komplexität, bis hin zu CoSim's. Potentiell gibt es kein Genre, was ich nicht spiele - das Spiel muss halt für mich in der entsprechenden Gruppe einen Reiz haben. Ich mag's gerne, wenn es was länger dauert und auch etwas komplizierter ist. Wenn nicht, auch gut.
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